Dranginkontinenz: Definition, Ursachen und Therapiemöglichkeiten
Kommt es nach einem plötzlichen, starken Harndrang zum unfreiwilligen Verlust von Urin, kann eine sogenannte Dranginkontinenz bestehen. Diese unterscheidet sich von der Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz) dadurch, dass sie bei keiner bestimmten Belastung wie Husten, Niesen oder Bewegung auftritt, sondern fast „aus dem Nichts“ kommt. Tritt die Dranginkontinenz regelmässig auf, sollten die Betroffenen auf jeden Fall einen Arzt konsultieren.
Noch immer gilt Inkontinenz als Tabuthema – Betroffene ziehen sich oftmals zurück und nehmen grosse Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität in Kauf, anstatt ihre Symptome offen bei einem Arzt anzusprechen. Dabei muss das gar nicht sein: Die heutige Medizin kennt zahlreiche Therapiemöglichkeiten und Hilfsmittel, mit denen eine Harninkontinenz erfolgreich behandelt werden kann. Besonders wichtig ist im Vorfeld die Diagnostik, um die Art der Harninkontinenz und ihre Ursachen festzustellen.
Die Spezialisten vom KontinenzZentrum Hirslanden in Zürich informieren verfügen über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Inkontinenz.
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Imperativer Harndrang und häufiges Wasserlassen als erste Symptome
Plötzlicher, starker Harndrang – sogenannter imperativer Harndrang – ist oft ein erstes Symptom für eine überaktive Blase. Das Gefühl des Harndrangs kennt jeder: Die Blase signalisiert, dass ihre Kapazität erreicht ist und sie entleert werden muss. Dieser Vorgang wird von Nerven gesteuert, die den Dehnungszustand der Blasenwand überwachen und das Signal über das Rückenmark ans Gehirn weiterleiten. Normalerweise kann der Mensch bewusst entscheiden, ob er den Harndrang zu einem gewissen Mass unterdrücken will oder ob er eine Toilette aufsucht. Beim imperativen Harndrang handelt es sich allerdings um einen Drang, der so stark und plötzlich auftritt, dass diesem unmittelbar nachgegeben werden muss.
Können Betroffene nicht umgehend eine Toilette aufsuchen, kommt es eventuell zu einem unkontrollierten Harnabgang – einer Dranginkontinenz. Dabei tritt der unbeherrschbare Drang oft bereits bei geringer Blasenfüllung auf – und auch unabhängig von der tatsächlichen Flüssigkeitszufuhr.
Tritt ein imperativer Harndrang nur gelegentlich auf, zum Beispiel wenn grosse Mengen an Flüssigkeit getrunken werden (vor allem Alkohol oder Kaffee), spricht das nicht unmittelbar für eine Reizblase. Stellt sich der plötzliche, unkontrollierbare Harndrang öfter ein und kommt es zum ungewollten Verlust von Urin, sollte ein Arzt die Ursache für die Inkontinenz unbedingt abklären.
Ein weiteres Merkmal einer überaktiven Blase ist häufiges Wasserlassen am Tage und in der Nacht (Blasenschwäche). Betroffene suchen oft stündlich oder öfter das WC auf, erwachen nachts durch den starken Harndrang und haben Schwierigkeiten, die Blasenentleerung hinauszuzögern. Ist die Vorwarnzeit zu kurz, um rechtzeitig eine Toilette zu erreichen, kann es auch zu einem unfreiwilligen Harnverlust unter Harndrang – einer Dranginkontinenz – kommen.
Die genannten Beschwerden können sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftreten und zeigen sich meistens mit zunehmendem Alter. Männer sind von den Drang-Beschwerden unwesentlich häufiger betroffen als Frauen. Für die Betroffenen bedeuten häufiger und imperativer Harndrang eine erhebliche körperliche und seelische Belastung. Ihre Lebensqualität wird stark beeinträchtigt, denn nicht selten werden Freizeitaktivitäten mit Freunden und der Familie auf ein Minimum beschränkt und die Umgebung ständig auf das Vorhandensein einer Toilette gescannt. Ein normaler Alltag oder besondere Unternehmungen sind kaum oder gar nicht mehr möglich.
Dranginkontinenz – Ursachen und Formen
Die Dranginkontinenz definiert sich allgemein durch einen unfreiwilligen Harnverlust unter einem plötzlichen, unbeherrschbaren Harndrang (imperativer Harndrang). Grundsätzlich werden zwei Formen der Dranginkontinenz unterschieden, die sehr ähnliche Symptome aufweisen, aber unterschiedliche Ursachen haben:
- Motorische Dranginkontinenz (überaktive Blase): Bei dieser Form der Inkontinenz fehlt eine Hemmung der Nervenimpulse des Blasenmuskels. Die Folge: Die Blasenmuskulatur zieht sich immer wieder unkontrolliert krampfartig zusammen. Dadurch gehen schwallartig kleine Mengen von Urin ab. Eine überaktive Blase und die daraus resultierende motorische Dranginkontinenz kann ohne erkennbare Ursache auftreten, Folge von neurologischen Krankheiten (Morbus Parkinson, Multiple Sklerose etc.) sein oder durch eine Prostatahyperplasie oder Diabetes mellitus ausgelöst werden.
- Sensorische Dranginkontinenz (überempfindliche Blase): Der Grund für eine sensorische Dranginkontinenz ist eine fehlerhafte Übertragung von Informationen zwischen Blase und Gehirn. Die Nervenenden in der Blasenwand übermitteln dem Gehirn einen falschen Füllstand der Harnblase. Obwohl die Blase noch fast leer ist, melden die Nerven fälschlicherweise, dass die Blase voll und eine Entleerung notwendig ist. Das Gehirn veranlasst daraufhin ein Zusammenziehen des Blasenmuskels und es kommt nicht selten zur Harninkontinenz. Die Ursachen einer sensorischen Dranginkontinenz sind vielfältig und reichen von einer Blasenentzündung über Blasensteine, Östrogenmangel (Frauen) bzw. die Verengung der Harnröhre durch eine gutartige Prostatavergrösserung (Männer) bis hin zu Tumoren.
Auch eine Verengung der Harnröhre, eine Blasenentzündung oder eine Blasensenkung durch Lockerung und Dehnung des Halteapparats kann Ursache für eine Dranginkontinenz sein. Eine Blasensenkung wird bei Frauen häufig durch die starke Beanspruchung des Bindegewebes im Laufe des Lebens oder während einer Schwangerschaft ausgelöst und ist gut therapierbar.
Was tun bei Dranginkontinenz?
Eine genaue Diagnose ist entscheidend
Eine gute und exakte Diagnostik ist aufgrund der Vielfältigkeit der Formen und Ursachen besonders wichtig, denn je nach Ursache unterscheidet sich das Therapiekonzept massgeblich. Betroffene sollten eine bestehende Dranginkontinenz deshalb unbedingt von einem spezialisierten Arzt abklären lassen. In der Regel sind die Inkontinenz und die überaktive Blase gut behandelbar und eine Linderung der Beschwerden ist sehr wahrscheinlich.
Ein erster Schritt für die Diagnostik kann beispielsweise das Führen eines speziellen Miktionstagebuchs (Blasentagebuch) über die Trinkgewohnheiten und die Blasenentleerung sein. Dieses gibt dem Arzt bereits Aufschluss über einige Faktoren der vorliegenden Inkontinenz. Mithilfe von Diagnoseverfahren wie der urodynamischen Untersuchung und der Ultraschalluntersuchung des Harntraktes kann der Spezialist die Ursachen und Ausprägungen der Dranginkontinenz differenzieren. Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse leitet der Arzt dann eine auf das jeweilige Problem zugeschnittene Behandlung ein.
Konventionelle und moderne Therapie-Optionen
Die Dranginkontinenz-Therapie gliedert sich in drei Stufen: Im ersten Schritt besteht die Behandlung aus einer Anpassung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten und einer Beckenbodentherapie mit speziellen Übungen zur Reduktion des Harndrangs.
Führen diese einfachen Therapiemethoden nicht zu einer deutlichen Linderung der Drang-Beschwerden, können in der zweiten Stufe Medikamente zur Dämpfung der überaktiven Blase eingesetzt werden. Auch eine elektrische Stimulation der entsprechenden Nervenbahnen, über die die Blasennerven kommunizieren, kann zur Behandlung der Dranginkontinenz zur Anwendung kommen.
Als dritte Stufe kann der Arzt eine Operation zur Behebung der Dranginkontinenz durchführen. Eine operative Therapie kommt nur in Betracht, wenn die konventionelle Behandlung nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, wenn Betroffene die eingesetzten Medikamente nicht vertragen oder wenn Ursache und Ausprägung für die Drang-Beschwerden eine Operation notwendig machen. Dabei kann ein krampflösendes Medikament in die Blasenwand injiziert oder eine sakrale Neuromodulation vorgenommen werden. Welches Therapieverfahren in Frage kommt, klären unsere spezialisierten Ärzte im Vorfeld genau mit den Patientinnen und Patienten ab. Besonders wenn Krankheiten wie Diabetes mellitus oder Multiple Sklerose vorliegen, muss das Therapiekonzept stark mit der Behandlung dieser Erkrankung abgestimmt werden.
Dranginkontinenz Therapie: Der erste Behandlungsschritt
- Anpassung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten: Nach Auswertung des Blasentagebuchs und der weiteren Untersuchungsergebnisse erarbeitet der Arzt ein Konzept für die angepasste Ernährungs- und Lebensweise, um mit einfachen Mitteln eine Kontinenz zu erreichen. Bei vielen Menschen, die von einer Dranginkontinenz betroffen sind, stellt sich durch diese Änderungen in Verbindung mit einem begleitenden Beckenbodentraining bereits eine Besserung der Beschwerden ein.
- Schliessmuskel- und Beckenbodentraining: Eine spezielle Beckenbodentherapie mit besonderen Übungen zur Drangreduktion (Blasentraining) unterstützt im Idealfall die Umstellung der Lebensweise und der Ernährung. Dabei werden die Beckenbodenmuskeln gestärkt, so dass die Betroffenen eine bessere Kontrolle über die Blasenmuskulatur zurückerlangen. Mittels Biofeedback beim Beckenboden-Training lässt sich der Erfolg auch für den Patienten oder die Patientin leicht überprüfen.
Behandlung der Dranginkontinenz mit Medikamenten oder Nervenstimulation
- Medikamentöse Dämpfung der Blase: Durch die Einnahme geprüfter Medikamente (Anticholinergika), zum Beispiel in Form von Tabletten, Pflastern, Zäpfchen oder durch Instillation von Medikamenten (direktes Einträufeln der Medikamente in die Blase mittels Katheter) wird die überaktive Blasenmuskulatur gedämpft. So kann das Auftreten eines imperativen Harndrangs reduziert werden.
- TENS-Stimulation des Tibialisnerven: Die elektrische Stimulation des Tibialisnerven (Schienbein-Nerv) kann als Heimtherapie durchgeführt werden. Die Stimulation erfolgt einige Zentimeter oberhalb des Innenknöchels und ist nicht schmerzhaft für den Anwendenden. Eine Sitzung dauert etwa 30 Minuten. Ein Behandlungszyklus beinhaltet 12 Stimulationen, jeweils im Abstand einer Woche (später sind grössere Abstände möglich). Dieser auch Neuromodulation genannte Vorgang kann eine überaktive Blase beruhigen und die Normalisierung der Blasenfunktion ermöglichen.
Moderne Therapiemethoden: Möglichkeiten zur Operation bei Dranginkontinenz
- Unterspritzung der Blasenwand: Zeigen sich bei der medikamentösen Therapie der Dranginkontinenz unerwünschte Nebenwirkungen oder gibt es andere Argumente gegen die Behandlung mit Anticholinergika, kann eine Injektion in die Blasenwand helfen. Bei diesem ambulanten Eingriff wird im Rahmen einer Blasenspiegelung ein krampflösendes Medikament an 10 bis 30 Stellen in die Blasenwand eingespritzt. Ziel ist die anhaltende Erschlaffung der überaktiven Blasenmuskulatur bei Inkontinenz mit Drang-Beschwerden. Die Wirkung hält ungefähr neun Monate lang an und kann in der Regel beliebig oft wiederholt werden.
- Sakrale Neuromodulation: Ist die vorgenannte Behandlung nicht möglich oder nicht erfolgreich, kann bei der sakralen Neuromodulation eine Art „Blasenschrittmacher“ eingesetzt werden, der die Blasenmuskulatur über einen geringen Reizstrom steuert.
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