Blasenentleerungsstörung und gleichzeitig Divertikel: Was hat Vorrang?

Eine erschwerte und unvollständige Entleerung der Harnblase ist ein elementares Problem in der Urologie und Gynäkologie. Da die Harnblase ein Hohlorgan ist, besteht zusätzlich eine Anfälligkeit für Divertikel: hernien- bzw. sackartige Ausstülpungen der Harnblasenwand.

Je nach Studienlage betrifft dies 1-23% der untersuchten Patienten, deutlich mehr Männer als Frauen. Aktuell fehlt es leider an relevanten Leitlinien und studienbasierten Therapieempfehlungen, welches Problem, die gestörte Blasenentleerung oder das Divertikel das wichtigere bzw. vorrangig zu behandelnde ist.

Echte und falsche Divertikel:

Blasendivertikel können in echte Divertikel sowie in falsche bzw. Pseudodivertikel unterteilt werden. In beiden Fällen basieren sie auf einer Gewebsschwäche.  Während es beim Pseudodivertikel nur zu einer Ausstülpung der Blasenschleimhaut durch Lücken in der Blasenwand nach aussen kommt, wird bei einem echten Divertikel die gesamte Blasenwand nach aussen gestülpt, auch die Muskulatur. Pseudodivertikel finden sich meist an der Hinterwand oder den Seitenwänden der Harnblase und  können recht gross werden, teilweise sogar grösser als die Harnblase selbst. Echte Divertikel sind eher klein und können überall in der Blase entstehen.

Blasendivertikel in der Regel anfangs symptomlos. Erst in fortgeschrittenem Stadium, durch die Vergrösserung der Ausbuchtung kommt es zu Beschwerden: Harnwegsinfekte und Blasensteine, auch das Risiko für einen Harnverhalt steigt stark an.

Allein mit den Angaben des Patienten, eine Ultraschalluntersuchung und einer Harnstrahlmessung mit Restharnbestimmung kann meist nicht aufgedeckt werden, ob nur das Divertikel ausschlaggebend für die Blasenentleerungsstörung ist, oder ob eine Kombination aus Divertikel und zusätzlicher Abflussbehinderung aus der Blase besteht.

In der urodynamischen Untersuchung mit Röntgendarstellung der Blase und der Harnröhre gelingt es meist, die zugrundeliegende Ursache herauszuarbeiten und eine Behandlungsstrategie zu entwickeln. Komplikationen und Folgeerscheinungen des Divertikels (Blasensteine und Harnwegsinfekte) müssen in die Entscheidung für oder gegen eine operative Therapie miteinbezogen werden.

Symptom- und beschwerdefreie Fälle bedürfen einer Beobachtung durch einen Spezialisten. Die Blase einschliesslich der Divertikel sollte in regelmässigen Abständen gespiegelt werden, da ein erhöhtes Risiko für Blasentumore in Divertikeln besteht.

Therapieoptionen:

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob zuerst das Divertikel entfernt oder die erschwerte Blasenentleerung beseitigt werden soll. Die Studienlage ist in dieser Frage recht dürftig.

Wird zunächst lediglich eine Divertikelabtragung durchgeführt, kann nur von einer Besserung in 50% der Fälle ausgegangen werden.

Wann bedarf es einer Divertikelabtragung?

Eine operative Divertikelabtragung ist durchzuführen bei Ausstülpungen mit einem Fassungsvermögen von mehr als 50% der gesamten Blasenkapazität oder einem Durchmesser vom mehr als 5 cm, ferner auch bei Komplikationen und Folgeerscheinungen (wiederkehrende Harnwegsinfekte, Blasensteine oder -tumoren).

Wann ist die  Beseitigung einer Blasenauslassobstruktion sinnvoll?

Divertikel entstehen in der Regel, wenn sich die Blase gegen einen Widerstand, zum Beispiel gegen eine vergrösserte Prostata, mit zu grossem Druck entleert. Daher ist auch die Beseitigung eines möglichen Abflusshindernisses zu überlegen und ggf. durchzuführen.

Ob die Divertikelabtragung und die Beseitigung der Abflussbehinderung in einer Sitzung oder nacheinander durchgeführt werden, muss im Einzelfall entschieden werden.